Will jemand wissen, wo heute die echten Herausforderungen & Chancen für Unternehmen liegen?

Falls ja, dann empfehle ich diesen Beitrag vom diesjährigen OnlineMarketingRockstars Festival:

Verena Bahlsen, Kekserbin aus Hannover, sagt in dem recht spontan wirkenden (aka authentischen) Vortrag jede Menge kluge Dinge:

  • z.B. das man unter Innovationen viel zu oft irgendwelche Marketing-/Vertriebs-Gimmicks (“Bluetooth Beacons im Einzelhandel”) versteht und viel zu selten innovative / bessere Produkte (in ihrem Fall: gesündere & nachhaltigere Lebensmittel).

  • Woran das innovative Denken oft scheitert kann sie dabei auch klar beschreiben: “Unsere Unternehmen sind allein auf Profit oder Wachstum ausgerichtet und jeder ist total in Strukturen und Prozesse eingesperrt. Aber dann erwarten wir von Mitarbeitern, dass sie jetzt die Dinge mal komplett neu denken. Das ist doch Quatsch! Wie soll das gehen??”

  • Und schliesslich auch noch was zum aktuellen Hype-Thema Sinn & Purpose — nämlich, dass sie am Morgen auf einem Panel gefragt wurde, wie man heute einen Sinn für sein Unternehmen entwickelt und sie sich dabei gefragt hat, wann es eigentlich normal geworden ist, Dinge ohne Sinn zu machen…?

Dazu fällt mir nur ein: 💯 !

Dass viele Mitarbeiter nicht mehr wissen, wieso es das Unternehmen wirklich gibt, in dem sie arbeiten und sie deshalb ihre ganze Arbeit schnell als sinnlos empfinden, ist sicher ein Kernproblem der Unternehmensführung heute. Oft versucht man das mit Purpose-Workshops, Agile & New Work zu lösen, anstatt bei den eigenen Produkten & Services anzusetzen.Warum? Weil echte “Profis” halt wissen, was man ändern kann und was nicht! Und so wird dann statt neuer Produkte, lieber ein Bluetooth-Beacon ins Schaufenster gelegt. Ist ja auch irgendwie innovativ.

Dann sagte Verena Bahlsen auch noch, wie sehr sie sich freut, dass ihr ein Viertel der Firma gehört, weil sie sich “von den Dividenden Segelyachten kaufen” will (Achtung: Ironie!). “Aber ich scheisse drauf, wenn wir als Firma es nicht schaffen die Gesellschaft voran zu bringen.” Und sie denkt, dass man das durchaus mit “Weltverbessern” und “nachhaltigen Produkten” schaffen kann. Sie versteht nachhaltiges Wirtschaften nicht als Schreckensszenario, sondern als wirtschaftliche Chance, weil immer mehr Konsumenten genau das erwarten werden. Auch das eine Sichtweise von der viele “Management-Profis” noch sehr weit entfernt sind.

Wie weit genau, erfährt, wer sich durchliest, was ein Qualitätsmedium wie das Handelsblatt daraus macht — eine platte Gegenrede zu Kevin Kühnert, weil es von der Story her gerade so gut passt:

Verena Bahlsen gegen Kevin Kühnert: “Ich bin Kapitalistin, das ist toll”

(…) Auch die vier Jahre jüngere Bahlsen gab sich radikal, aber in die umgekehrte Richtung: „Ich bin Kapitalistin. Mir gehört ein Viertel von Bahlsen, das ist toll. Ich will mir ’ne Segel-Yacht kaufen und solche Sachen.“ Und sie legte nach: „Ich wollte früher unbedingt rebellieren und kreative Schriftstellerin werden. Doch dann habe ich gemerkt, was die Wirtschaft für ein Hammer-Vehikel ist.“ (…)

Fazit im Handelsblatt: Kevin Kühnert findet Sozialismus toll, Verena Bahlsen Kapitalismus, weil sie sich so Segelyacht(en) kaufen kann (den Plural aus der wörtlichen Rede, der die Ironie deutlicher macht, nutzt der Autor im Zitat(!) bewusst nicht). Wie schön einfach schwarz-weiss die Welt doch da plötzlich ist und in den Kommentaren unter dem Artikel wird schnell deutlich, dass diese Sichtweise nur zu gern aufgegriffen wird.

Aus Sicht des Autors eine runde Geschichte — nur leider vermittelt sie einen Eindruck, der die Aussagen des Vortrags in das exakte Gegenteil verfälscht. Und das Kevin Kühnert einen Tag früher auf der OMR war, so dass sich beide nie getroffen haben? Egal! Es steht ja nicht eindeutig im Text, dass es anders gewesen wäre. Zwar kann man durchaus den Eindruck bekommen - doch gerade das macht die Geschichte ja so rund… #SoSad. 🤦‍♂️


Update - 20. Mai 2019:

Den Text oben hatte ich kurz nach dem Vortrag geschrieben, ohne zu ahnen, was danach passieren sollte. Der Artikel im Handelsblatt löste eine recht heftige Kontroverse aus, nach dem Fans von Kevin Kühnert, die aufgrund des Artikels einen falschen Eindruck vom Vortrag bekommen hatten, Verena Bahlsen per Twitter vorhielten, sie würde sich ihre Yacht mit einem Erbe kaufen wollen, das auch von Weltkriegs-Zwangsarbeitern erwirtschaftet wurde. Dieses Thema griff dann an einem ansonsten Nachrichten-armen Wochenende die Bild auf und dann ging es richtig los.

Das daraus resultierende Medienecho habe ich im folgenden mal ein wenig aufbereitet:

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Roadshow “Influencer Marketing”.

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Ein Vorschlag für Marken, die Purpose & Woke für das nächste dicke Ding halten…